2024 I Warum zieht Queerfeindlichkeit so gut bei rechten Jugendlichen?

[Text ist enstanden für einen Post auf Instagram]

In Magdeburg gingen am Samstag (24.08.2024) mehrere Hundert auffällig junge Neonazis gegen den CSD auf die Straße – wie zuvor in Bautzen und Leipzig. Und: Am 31.8.2024 wollen sie in Zeitz wieder gegen eine Pride auf die Straße gehen. Was treibt Rechtsradikale dazu, Queers als Hassobjekte zu identifizieren?

Rechte Ideologien richten sich gegen Sexualität, Zärtlichkeit und ein Leben im Einklang mit den eigenen Gefühlen. Autoritäre Forderungen wie Charakterzüge verlangen u.a., dass sich das Individuum den Ansprüchen des Kollektivs beugt. Sexualität als Genuss der Einzelnen, als Treiben ohne „produktiven“ Zweck, steht dem entgegen.

Zentral für den Rechtsradikalismus ist eine zugespitzte Krise der Männlichkeit. Der hypermaskuline Habitus rechter Jungs und Männer soll die Verunsicherung durch prekäre materielle und soziale gesellschaftliche Umstände überspielen. Er hat aber auch damit zu tun, dass sie sich ihrer Männlichkeit und ihrer Heterosexualität im Innern zutiefst unsicher sind.

Denn: Wer nach der Idee lebt, ein „richtiger“ Mann oder eine „richtige“ Frau sein zu müssen, folgt einem letztlich niemals zu erfüllenden Ideal. Was übrig bleibt, sind Menschen, die sich selbst und gegenseitig durch überzeichnetes Schauspiel ihrer Geschlechtszugehörigkeit versichern müssen.

Darin steckt auch schon die ganze Tragik des Aufstands gegen „Gender-Ideologie“: Es sind nicht transgeschlechtliche, pan- oder homosexuelle Menschen, die über ihr Geschlecht verwirrt sind. Sie haben ihre innere Wahrheit akzeptiert und leben nach ihr – trotz Repression von außen. Lebenslange Gender-Verwirrung zeichnet hingegen Rechte und Rechtsradikale aus.

Das aber kann das rechte Individuum an sich nicht eingestehen, weshalb es sich ironischerweise von Queers bedroht fühlt. So projiziert es den eigentlich inneren Konflikt nach außen. Der Hass steigt in ihm auf, weil es durch Queers an seine eigene Unsicherheit erinnert wird – seine eigene Unfähigkeit, jemals wirklich „richtig“ und damit liebenswürdig zu sein.

Gerade pubertierende Jugendliche sind durch omnipräsente AfD-Propaganda auf TikTok und Co besonders empfänglich dafür, ihre eigenen Konflikte durch autoritäre Heilsversprechen einer solchen Pseudo-Lösung zuzuführen. Das Ergebnis sind eingefrorene, lebenslange Leiden und Gewalt gegen andere – nicht die Lösung der alterstypischen Konflikte.

Damit ist ein weiterer, zentraler Aspekt des Autoritarismus angesprochen: Die Feindlichkeit gegenüber Selbsteinsicht, Weiterentwicklung und, generell, zu psychologischem Denken. Der Autoritäre muss immer „stark“ sein. Psychologisches Denken aber läuft auf zärtliches Interesse für die eigenen Schwächen hinaus – Schwächen, die durch Kraftmeierei nicht verschwinden.

Übrigens: Autoritarismus und Kraftmeierei zeichnet nicht nur Rechte aus. Auch Linke können dem Drang verfallen, sich mit Macht, Stärke, Gewalt und Männlichkeit zu identifizieren – etwa einer Underdog-Männlichkeit. Und in einem Kollektiv aufgehen zu wollen, das allzu große Individualität nicht duldet. Insofern gilt es, sich selbst gegenüber kritisch – und zugewandt – zu bleiben.